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Juden in der Roten Armee
Welche Formen des Kampfes standen jüdischen Sowjetbürgern offen?
Welche Motive bewegten sie zur Teilnahme am Krieg?
Welchen Herausforderungen sahen sich jüdische Soldaten gegenüber?
Jüdischer Widerstand
Foto: Wladimir Gelfand, Offizier der Roten Armee
„Für das gesamte
sowjetische Volk und insbesondere für das jüdische Volk ist
eine schwere Stunde angebrochen. Die Nazis erheben ihre Hand gegen
unser Volk, sie wollen es versklaven und – was noch schlimmer ist
– vom Angesicht der Erde tilgen. Doch das wird ihnen nicht
gelingen. Das jüdische Volk wird Hitler noch zeigen, was
Gerechtigkeit ist, und es wird die Folterung seiner Söhne und
Töchter rächen. In meinen Händen, als Sohn des
jüdischen Volkes, kämpfe ich mit Entschlossenheit und Mut
gegen den Feind.“
— Mordechai Eltshuler, in: Begegnungen jüdischer Kämpfer in der Roten Armee mit dem Holocaust, S. 72–79.
Aus dem Tagebuch von Wladimir Gelfand, Offizier der Roten Armee
Dnjepropetrowsk, vor der Besetzung – 23. Oktober 1941:
„Auf den
Straßen und im Park, im Brotladen und in der Petroleumschlange
– überall hört man ein Flüstern. Leise,
beängstigend, heiter und zugleich voller Hass: Man spricht
über die Juden. Man spricht vorsichtig, schaut sich um.
Juden seien Diebe. Eine Jüdin habe dies und das gestohlen. Juden
hätten Geld. Eine habe 50.000 Rubel gehabt, beklagte sich aber
dennoch über ihr Schicksal, nackt und barfuß zu sein. Ein
anderer habe noch mehr – und halte sich trotzdem für
unglücklich.
Juden würden nicht gern arbeiten. Juden wollten nicht in der Roten
Armee dienen. Sie lebten ohne Aufenthaltsgenehmigung. Sie
säßen auf den Schultern der anderen. Kurz: Die Juden seien
schuld an allem.
Ich muss mir all das mehr als einmal anhören – mein Aussehen und meine Sprache verraten mich nicht als Juden.
Ich liebe die russische Sprache. Vielleicht liebe ich sie mehr als das
Jiddische, denn diese Sprache ist mir beinahe fremd. Ich weiß
nichts über Nationen. Ein guter Mensch – gleich welcher
Herkunft oder Rasse – ist mir stets angenehm, ein schlechter
dagegen voller Hass.
Und doch stelle ich fest, dass hier, im Nordkaukasus, der
Antisemitismus ein Massenphänomen ist. Dafür tragen die Juden
zum Teil selbst die Verantwortung – sie haben den Neid vieler
Einheimischer auf sich gezogen.“
13. März 1943:
„Diese Berichte
über Massenerschießungen unschuldiger Juden lassen mich mit
noch größerer Sorge an meine lieben Verwandten in Essentuki
denken – an ihr Schicksal. Wie gerne würde ich dorthin
fahren und etwas herausfinden – es ist nur ein kurzer Weg von
Salsk nach Mineralnye Wody. Ich werde den Kommandanten der
Durchgangsstation um Erlaubnis bitten, dorthin zu reisen, doch
vermutlich werde ich nichts erreichen können.
Für mich steht fest: Ich habe mich für immer gegen die
Deutschen entschieden – es gibt für mich keine schlimmeren
und tödlicheren Feinde. Bis zum Grab, bis zu meinem letzten
Atemzug – ob im Hinterland oder an der Front – werde ich
meinem Vaterland dienen, meiner Regierung, die mir als Jude die
gleichen Rechte gewährt hat.
Niemals werde ich so sein wie jene Ukrainer, die ihr Vaterland verraten
haben, indem sie sich dem Feind angeschlossen und in dessen Diensten
gestellt haben. Sie putzen ihm die Stiefel, dienen ihm und schlagen ihn
mit ihren verräterischen, hundeähnlichen Gesichtern.“
Quelle: Wladimir Gelfand, Tagebuch 1941–1946, Moskau, 2016, S. 44, S. 142.
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