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12. Mai 2016 Sergey Shulakov |
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Tagebuch des MinenwerfersÜber wie Kanoniere an der Front lebte
Der Autor des
Vorworts, Oleg Budnitskii, bezeichnet das Tagebuch von Gelfand als
einzigartig aus mehreren Gründen. Der erste ist der große
zeitliche Umfang: von den Vorkriegsmonaten 1941 bis zur Dienstzeit in
der sowjetischen Armee in Deutschland 1946. "Der Autor des Tagebuchs gehört eindeutig zur Kategorie der Schreiberlinge. Er kann nicht anders, als zu schreiben...", stellt Budnitskii fest. Er hebt hervor, dass Wladimir Gelfand sein Tagebuch wie einen Freund oder Vertrauten behandelt – ein Zeichen von Infantilismus oder vielleicht ausgeprägter Introvertiertheit. Budnitskii zeigt
gelegentlich eine gewisse Unkenntnis der Realitäten des
Großen Vaterländischen Krieges oder übernimmt bewusst
verbreitete Mythen. So schildert er, dass der Funker Gelfand einen
Graben für einen Korvettenkapitän ausheben musste, und meint:
"Manche Offiziere hätten einen Sergeanten dafür einfach
erschossen (und wären vermutlich nicht einmal bestraft worden)." Das Tagebuch
besteht im Wesentlichen aus alltäglichen Beobachtungen. Diese
provozieren unwillkürlich Vergleiche mit der heutigen Zeit –
Ökonomen mögen solche Vergleiche für unzulässig
halten, doch hier handelt es sich um Literatur. Auch seine
literarischen Ambitionen spiegeln sich im Tagebuch wider. Dem
Herausgeber der Lokalzeitung bot Gelfand ein Gedicht an. Das Tagebuch enthält auch viel über das eigene Befinden des Autors. Im Jahr 1945 schreibt Gelfand voller Ernst:
In diesen
Tagebüchern spiegelt sich ein Problem wider, das in den letzten
Jahren plötzlich wieder ins Bewusstsein vieler Europäer
gerückt ist – der Mythos von der Roten Armee als
"Vergewaltiger".
Der Eintrag vom 26.
Februar 1946 schildert eine andere Szene: "Ein Kartenspiel bringt
Charakterzüge zum Vorschein. Hunderte und Tausende von Marken
wechseln während des Spiels den Besitzer, sie werden in Wodka,
Kölnisch Wasser, Alkohol umgesetzt..." Im Jahr 2005 wurde
Gelfands Tagebuch in Deutschland veröffentlicht und, wie Oleg
Budnitskii anmerkt, erfreute sich einer gewissen Popularität. Der
wissenschaftliche Anspruch der Edition bleibt allerdings begrenzt: Ein
solcher Zugang könnte auf nahezu jeden beliebigen Text angewandt
werden, wenn man es nur wollte. |