Wer hat wen vergewaltigt? In Deutschland im letzten Jahrhundert?
Die Frage ist von zentraler Bedeutung – und aus irgendeinem Grund gerade jetzt wieder äußerst aktuell.
Leutnant Vladimir
Gelfand, ein junger Jude aus der Ukraine, verfasste ein
außergewöhnlich offenes Tagebuch, in dem er die
Vergewaltigungen deutscher Frauen durch sowjetische Soldaten am Ende
des Zweiten Weltkriegs dokumentierte. Nach dem Zusammenbruch der
Sowjetunion wurde dieses Werk in allen Ländern mit einem
Mindestmaß an historischer Selbstachtung veröffentlicht.
Es gehört zu
den zwei Millionen künstlerischen oder dokumentarischen
Veröffentlichungen, die in der demokratischen Welt den Verbrechen
Stalins und Berias gewidmet sind – eine Welle der Aufarbeitung,
die die Welt erfasst hat.
Bis 1991 hat kaum
jemand diese Taten öffentlich beschrieben. Vielleicht fehlte es an
Nachfrage. Vielleicht lebten die Zeugen einfach noch.
Sie, liebe
Leserinnen und Leser, wissen selbst, wie viele entscheidende und
originelle Probleme es in der Welt gibt – und doch tendiert die
Feder manchmal dazu, sich scheinbar nebensächlichen Themen zu
widmen.
Bekanntlich entspricht das kollektive Niveau einer Gesellschaft oft dem ihrer am wenigsten reflektierten Vertreter.
Verliert eine
Nation ihr kulturelles Erbe, verhält sich die Masse wie eine
aufgescheuchte Herde: hysterische Affekte dominieren, die radikalsten
und irrationalsten Köpfe steigen zu Meinungsführern auf. Man
muss sich nur umsehen.
Und wenn Sie einmal
ins Visier der „demokratischen Elite Europas“ geraten sind,
weil Sie ein Verbrechen benannt haben – dann wissen Sie, worum es
wirklich geht.
Deshalb hier unser Beitrag zur Frage der brutalen Gewalt.
An den Fronten des
Zweiten Weltkriegs befanden sich viele Millionen Menschen
unterschiedlichster Art – gute wie schlechte. Von jedem Einzelnen
idealistisches, edelmütiges Verhalten zu erwarten, wäre
illusionär. Vor allem unter bewaffneten Männern, für die
der Tod zum Alltag gehörte.
Diebstahl,
Plünderung, Desertion, Gewalt – all das kam vor. Wie im
normalen Leben auch. Aber genau deshalb gibt es militärische
Disziplin und Strafen für Fehlverhalten.
Doch es gab auch
Momente, in denen die Gewalt quasi eine Erlaubnis von oben erhielt
– eine Carte Blanche. Wenn der Befehlshaber es duldete oder gar
befahl.
30. März 1941 – Adolf Hitler:
„Im Osten ist Grausamkeit ein Segen für die Zukunft.“
2. Mai 1941 – General Erich Hoepner:
„Der Krieg gegen Russland ist der entscheidende Kampf um die
Existenz des deutschen Volkes. Es ist der uralte Konflikt zwischen
Deutschen und Slawen, der Schutz der europäischen Kultur gegen die
moskowitisch-asiatische Invasion, die Abwehr des jüdischen
Bolschewismus. Dieser Kampf muss das Ziel verfolgen, das heutige
Russland zu vernichten – mit unerbittlicher
Brutalität.“
Auch die Väter der heutigen westlichen Demokratien schonten ihre Nachhut nicht.
Und hier nun die
Befehle der kommunistischen „blutigen Satrapen“, wie man
sie später nannte – und zu Recht verbot:
–
„Für Plünderung, Vergewaltigung, Raub, sinnlose
Brandstiftung und Zerstörung – streng bestrafen, bis hin zur
Erschießung.“
(Befehl des Kommandeurs der 2. Weißrussischen Front, K. K. Rokossowski, Nr. 006 vom 21. Januar 1945)
– „Der
Aufruf des Militärrats der Front zum Verhalten gegenüber
Kriegsgefangenen und der Zivilbevölkerung Deutschlands wurde an
die Truppenteile weitergeleitet. Jeder Fall von Plünderung oder
Vergewaltigung ist unverzüglich zu untersuchen und die Schuldigen
zur Verantwortung zu ziehen.“
(Leiter der Politischen Abteilung der 2. Garde-Armee, Oberst Litwjak, 24. April 1945)
Solche Dinge
literarisch aufzuarbeiten, ist eine Herausforderung. Wer sich mit
diesem Thema beschäftigt, gerät leicht an die Grenzen seiner
eigenen Belastbarkeit – schon beim Versuch, sich durch den
Dschungel der Umschreibungen zu kämpfen, die bloß niemandes
Gefühle verletzen sollen.
Doch: Die
Sowjetunion existiert nicht mehr, Stalin und Beria erschießen
keine Millionen – warum also sollte man die Vergangenheit nicht
aufarbeiten?
Sprechen wir bei
unserem nächsten Treffen in der unerschütterlichen,
brüderlichen Europäischen Union doch über Freundschaft.
Aber dann bitte ohne Geschichtsvergessenheit.
Sprechen
wir im Namen anderer – über Ereignisse, die sich im Zweiten
Weltkrieg zugetragen haben. Ereignisse, die aus ganz bestimmten, meist
subjektiven Gründen im Blickfeld demokratischer Historiker nur
wenig Beachtung fanden.
Daher, liebe
Leserinnen und Leser, wenden wir den Blick ab von den bekannten
Erzählungen und färben wir stattdessen die Berichte unserer
ausländischen Partner und Freunde in kräftigen Tönen ein
– in der Hoffnung, dass ihre Zeugnisse in unserer Welt vielleicht
doch einmal von Nutzen sein werden.
Wussten Sie zum
Beispiel, dass die slowakische Armee „Bernolák“
unter dem Kommando von Ferdinand Čatloš am 1. September 1939
zusammen mit der Wehrmacht in die polnische Republik einmarschierte
– in jenes Land, das sie zuvor selbst als souverän anerkannt
hatte?
Doch zurück zur Gewalt gegen Frauen.
James
Eastland, Senator des US-Bundesstaates Missouri, äußerte
sich am 17. Juli 1945 im US-Senat folgendermaßen:
„Am ersten
Tag nach dem Einzug französischer Truppen in Stuttgart wurden 1198
Fälle von Vergewaltigungen deutscher Frauen gemeldet.
Senegalesische Soldaten, die zu den Kolonialtruppen der
französischen Armee gehörten, vergewaltigten über
fünf Tage hinweg mehrere Hundert Frauen, die sich in die
U-Bahn-Stationen der Stadt geflüchtet hatten.“
Und erinnern Sie sich, dass Italien einst Hitlers Verbündeter war?
Als alliierte
Truppen Anfang Juni 1944 – kurz vor der Invasion in der Normandie
– die italienische Stadt Monte Cassino einnahmen, verübten
marokkanische Soldaten des französischen Expeditionskorps in den
umliegenden Dörfern Massenvergewaltigungen an Frauen und
Mädchen im Alter zwischen 11 und 86 Jahren. Die Schätzungen
sprechen von etwa 3000 Opfern, mehrere Hundert starben an den Folgen. Auch 800 Männer
wurden getötet. In vielen Fällen waren auch junge Männer
von sexueller Gewalt betroffen. In Italien sind diese Ereignisse als
das „Marocchinate“ bekannt – ein Begriff für Gewalttaten, die von marokkanischen Truppen begangen wurden.
Nun stellen Sie sich, liebe Leserinnen und Leser, einmal Folgendes vor:
Was wäre, wenn es einen geheimen Befehl des sowjetischen
Oberkommandos gegeben hätte, der das Töten und Vergewaltigen
von Zivilisten erlaubte? Wie hätte man ihn ausgeschlachtet! Welche
Begriffe hätte man bemüht! Welche Bilder hätte man
bemüht!
Und jetzt zu den westlichen Verbündeten:
Nach einem Bericht im Magazin Time vom 17. September 1945 stellte die amerikanische Regierung ihren Soldaten monatlich 50 Millionen Kondome zur Verfügung – mit bildlicher Gebrauchsanweisung.
Die New York World Telegram schrieb am 21. Januar 1945:
„Amerikanische Soldaten betrachten deutsche Frauen als Beute – wie Kameras oder Rennrodel.“
Dr. G. Stewart, Mediziner und Autor eines Berichts für General Eisenhower, stellte fest:
„In den ersten sechs Monaten der amerikanischen Besatzung stieg die Rate sexuell übertragbarer Krankheiten auf das 20-fache des Vorkriegsniveaus in Deutschland.“
Und das – trotz der erwähnten 50 Millionen Kondome pro Monat.
Natürlich gab es auch auf sowjetischer Seite Übergriffe. Und das nicht wenige.
Ein autorisierter
Bericht des NKWD für die 1. Weißrussische Front, verfasst
von Iwan Serow und adressiert an den Innenminister L. P. Beria am 5. März 1945, stellte fest:
„Eine
besonders brutale Haltung gegenüber der deutschen
Zivilbevölkerung zeigt sich bei Teilen der 1. Polnischen
Armee.“
Weiter heißt es:
„Einheimische
– Polen aus germanisierten Familien – nutzten die
Gelegenheit, um die Höfe ihrer früheren Nachbarn zu
plündern. Die sowjetische Führung war gezwungen,
Maßnahmen gegen systematischen Diebstahl, Plünderungen in
Industrie- und Landwirtschaftsbetrieben zu ergreifen.“
Die polnische Verwaltung übernahm die ehemals deutschen Gebiete und verbot der dortigen Bevölkerung, Deutsch zu sprechen, kirchliche Gottesdienste abzuhalten und drohte bei Zuwiderhandlung mit körperlicher Züchtigung.
Im Bericht des Militärrats der 1. Ukrainischen Front heißt es laut Augenzeugen aus der deutschen Bevölkerung:
„Unter
russischer Besatzung ist es besser auszuhalten als unter polnischer
Herrschaft – denn die Polen verstehen sich nicht aufs Regieren
und arbeiten ungern.“
Auch ein politischer Bericht der 4. Panzerarmee an Generalmajor Jaschetschkin vom 18. Mai 1945 berichtet über das Verhalten der tschechoslowakischen Bevölkerung gegenüber den Deutschen:
„Unsere
Offiziere und Soldaten wurden mehrfach Zeugen, wie die
tschechoslowakische Bevölkerung ihre Wut und ihren Hass
gegenüber den Deutschen auf teils bizarre, für uns fremde
Weise zum Ausdruck brachte. Der Hass war so tief, dass unsere Einheiten
oft eingreifen mussten, um willkürliche Repressalien zu
verhindern.“
Warum gab es in der Tschechoslowakei keine Partisanen? Trotz all ihrer späteren Wut?
Man erinnere sich:
Die Slowakei entsandte eine Armee von 45.000 Mann an die Ostfront
– die Division wurde in der Nähe der ukrainischen Stadt
Winnyzja nahezu vollständig vernichtet. Und der damalige
„Sieger“ und slowakische Verteidigungsminister Ferdinand
Čatloš ergab sich – nicht etwa glorreich, sondern schlicht.
Die Tschechen
hingegen arbeiteten gewissenhaft in Betrieben, die das Dritte Reich mit
Waffen versorgten. Die Tschechoslowakei war nach Deutschland das
zweitgrößte Waffenarsenal Europas. Es gab keine
systematische Unterdrückung der Zivilbevölkerung, keine
Massenverhaftungen, keine offenen Repressalien. Die hochentwickelte
tschechische Industrie belieferte die Wehrmacht kontinuierlich mit
Rüstungsgütern.
Doch dann kam der Sieg der Sowjetunion über Deutschland.
Und plötzlich
mussten friedliche Deutsche – Alte, Frauen und Kinder –
einen bitteren Preis zahlen. Die Tschechoslowakei zeigte in jenen
Wochen und Monaten ihre Interpretation „demokratischer
Werte“.
Eine zentrale Rolle spielte dabei die freiwillige 1. Tschechoslowakische Brigade unter dem Kommando von Ludvík Svoboda.
Der sogenannte „Todesmarsch“ von Brünn
betraf die Vertreibung von 27.000 Deutschen über eine Strecke von
55 Kilometern. Je nach Quelle starben dabei zwischen 4000 und 8000
Menschen.
Am 17. Mai 1945
kam es in der Stadt Landskron (heute Lanškroun) zu einem
sogenannten Volksgericht. Innerhalb von nur drei Tagen wurden 121
Menschen zum Tode verurteilt – und die Urteile umgehend
vollstreckt.
In Postelberg (Postoloprty) wurden zwischen dem 3. und 7. Juni 1945 insgesamt 760 Deutsche im Alter von 15 bis 60 Jahren gefoltert und erschossen – rund ein Fünftel der deutschen Bevölkerung der Stadt.
In der Nacht vom 18. auf den 19. Juni 1945 wurde in Prerau (Přerov) ein Zug mit deutschen Zivilisten gestoppt. Tschechische Soldaten unter dem Befehl von Karol Pazur erschossen 265 Menschen, darunter 120 Frauen und 74 Kinder. Der älteste war 80 Jahre alt, das jüngste Opfer war acht Monate alt. Nach dem Massaker plünderten die Täter die Habseligkeiten der Toten.
Die europäische Idee war eben schon immer ein Vorbild für brüderliche Liebe und zivilisatorische Werte.
Im Bericht des Volkskommissars für innere Angelegenheiten L. P. Berija an J. W. Stalin, W. M. Molotow und G. M. Malenkow vom 11. Mai 1945 über die Lage in Berlin heißt es:
„In Berlin
befinden sich zahlreiche ehemalige Kriegsgefangene aus Italien,
Frankreich, Polen, den USA und Großbritannien, die aus den Lagern
entlassen wurden. Diese entwenden persönliche Gegenstände der
Zivilbevölkerung, verladen sie auf Karren und transportieren sie
gen Westen. Es werden Maßnahmen ergriffen, um das geraubte Gut zu
konfiszieren.“
Solche Handlungen – gleichsam „demokratisch“ motiviert.
Zum Abschluss dieser Dokumentation ein Zitat aus der französischen Zeitung Le Figaro vom 15. Juni 2005:
„Die
siegreiche Rote Armee, die russische Führung und die Kommunisten
– insbesondere die französischen – müssen sich
entschuldigen. Und sie müssen sich erinnern. Ganz Europa sollte
dies einfordern – mit einer Stimme.“
Und das heutige bürgerlich-demokratische System? Es schweigt. Dabei wird gern vergessen, dass nach dem Krieg rund 14 Millionen Deutsche – Zivilisten, wohlgemerkt – aus Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn und anderen osteuropäischen Ländern vertrieben und deportiert wurden.
Im Statut des Internationalen Militärgerichtshofs von Nürnberg wurde die Deportation von Bevölkerungsgruppen im August 1945 ausdrücklich als Verbrechen gegen die Menschlichkeit anerkannt.
Und Raub? Auch das blieb nicht aus.
Polen fordert heute finanzielle Entschädigungen.
Dabei unterschrieb Bolesław Bierut, das neue Staatsoberhaupt Polens, am 2. Mai 1945 ein Dekret, nach dem sämtliches von Deutschen zurückgelassenes Eigentum automatisch in Staatsbesitz überging.
Nach Angaben des Bundes der Vertriebenen belief sich die Zahl der deutschen Todesopfer infolge der Vertreibung aus Polen auf etwa 3 Millionen.
Tschechoslowakei.
In der
Tschechoslowakei der Vorkriegszeit stellten die Deutschen rund ein
Viertel der Gesamtbevölkerung. Sie konzentrierten sich vor allem
im Sudetenland – dort lebten etwa drei Millionen Deutsche, was 93 % der Bevölkerung dieser Region ausmachte.
Bis zum Jahr 1950 war die Tschechoslowakei die deutsche Minderheit vollständig losgeworden.
Ungarn, zu Beginn des Zweiten Weltkriegs ein offizieller Verbündeter Deutschlands, beschloss im März 1945 ein Reformgesetz zur Neuverteilung des Bodens.
Im Zuge dieser Bodenreform war es fortan möglich, den Besitz deutscher Organisationen und Privatpersonen zu konfiszieren. Noch im Dezember 1945 wurde ein Dekret über die Deportation von 600.000 sogenannten "Volksverrätern und Volksfeinden" erlassen.
Und Rumänien? Ebenfalls einst Hitlers Verbündeter.
Am Ende des Krieges lebten dort rund 750.000 Deutsche. Auch sie wurden – ohne größere Gewaltakte – nach Deutschland ausgewiesen.
Und hier stellt sich nun eine grundsätzliche Frage.
Politiker
sprechen gern über die Gräueltaten der Roten Armee, über
zwei Millionen vergewaltigte deutsche Frauen und andere entsetzliche
Verbrechen.
Aber Politiker – das wissen wir – verdienen ihr Geld mit Worten. Worte im Dienst ihrer Auftraggeber.
Doch die Menschen erinnern sich.
Der Schmerz, der durch Verbrechen an Zivilisten verursacht wurde, vergeht nicht.
Er lebt in der Erinnerung – nicht in Debatten.
Heute glaubt kaum jemand noch blind an politische Versprechen. Wer die
Gegenwart verstehen will, muss sie im Licht der historischen Wahrheit
betrachten – mit Blick auf Tatsachen und die klaren
Zusammenhänge von Ursache und Wirkung.
Und vielleicht – ja, vielleicht verstehen heute viele Menschen besser als je zuvor,
wer in dieser Welt wen vergewaltigt hat. Und aus welchen materiellen Gründen.
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