"Der Tag des Sieges ist etwas bitter für mich..." Auslandsimpressionen von Rotarmisten Gelfand

Noch ein paar Einträge aus dem Tagebuch von Leutnant Vladimir Gelfand. Von 1942 bis zum Ende des Krieges führte er fast täglich sein Tagebuch. 1945 war Gelfand 22 Jahre alt, er schrieb Gedichte, seine Aufmerksamkeit wurde aktiv von Mädchen angezogen, und dies spiegelte sich in seinem Tagebuch wider.

Wladimir Gelfand (1923 - 1983)

Rumänischer Twist

27.08.1944. Rumänien hat sich gestern aus dem Krieg zurückgezogen. Heute befindet es sich bereits im Krieg mit seinem ehemaligen "Verbündeten" - Deutschland, und schickt sogar eine Delegation nach Moskau mit der Zusicherung, dass es uns sein Territorium, den Transport und die Rückkehr aller Gefangenen zur Verfügung stellen wird... Mit einem Wort, vollständig Wende der Politik um 180°.
Und unsere Truppen bewegen sich immer weiter nach Westen, zerstören und erobern immer mehr feindliche Divisionen und Regimenter.
Die Rumänen geben die Divisionen kampflos auf.

"Hallo, Landsmann!"

28.08.1944. Rumänien. Eine Kolonne von Häftlingen war gerade hindurchgeführt worden: sie waren erschöpft, erbärmlich, ängstlich. Fritz ist noch erträglich, aber ... Russen! Es ist schwer zu widerstehen, um nicht zu schreien: Ihre Leute sind Verräter, das ist ein weinendes Phänomen!
"Ist hier jemand aus Jaroslawl?" - fragte der Oberfeldwebel unter den Zuschauern. - "Ich komme aus Jaroslawl", - sagte einer der Gefangenen. »Kommen Sie her«, rief der Oberfeldwebel.
Und als er zusammenbrach, schlug er mit den Worten: „Na, hallo, Landsmann!“ dem Schurken mit aller Kraft ins Gesicht. Blut spritzte, und der Verräter beeilte sich, sich in der Mitte der Kolonne zu verstecken.
Dann begannen die Soldaten, den gesamten Schwanz der Kolonne hintereinander zu ehren. Sie fanden auch einen dickgesichtigen Kalmück, zogen ihn heraus und begannen, ihn zu schlagen. Er stürzte, sein Hemd war blutverschmiert. Es ist erstaunlich, wie er seine Beine davongetragen hat - er kehrte zum Dienst zurück und versteckte sich hinter einem gefangenen Deutschen.

Schlüssel nach Berlin - Küstrin

12.04.1945. Deutschland. Endlich sind wir in Küstrin. Eine große, aber zerstörte Stadt. Riesige Betonkeller sind mit Stacheldraht eingezäunt, am Eingang stehen mächtige Maschinengewehrbunker mit einem kreisförmigen Feuersektor. All dies rettete die Räuber nicht. Ich sah eine Masse von Leichen von Deutschen, die unter den Trümmern von Gebäuden ihren Tod fanden.
Das bist du jetzt also, Küstrin! Ich freue mich nicht über deine Ruinen, aber aus tiefstem Herzen lächele ich über deinen Fall. Du verdienst es, Haus der gemeinen Räuber! Du verdienst es, eine Festung aus Leid, Schrecken und Gewalt gegen Menschen, eine Festung aus Blut und Tränen!

Ewige Erinnerung an Roosevelt

13.04.1945. Brückenkopf jenseits der Oder, westlich Küstrin. Der Postbote hat mir gerade die bitterste Nachricht aller Auslandsnachrichten überbracht: Roosevelt ist gestorben.
Er allein war in der Lage, die amerikanische Politik scharf und gründlich zum Faschismus zurückzubringen. Er ist ein All-American, All-Man, das ist seine große Stärke und Größe. In den vergangenen Jahrzehnten hat das Leben keine höhere, mächtigere Gestalt gekannt. Roosevelt - der Triumph der amerikanischen Demokratie. Er ist im Ausland seinesgleichen, und der Engländer Churchill ist das Genie Roosevelt nicht wert.
Ewige Erinnerung an Roosevelt - meine ausländische Lieblingsfigur.

Nacht im Palast

18.04.1945. Die Straße ist gesperrt, Sie können nicht passieren. Wir müssen im Palast eines deutschen Adligen übernachten.
Luxus und Pracht! Der Palast ist von allen Seiten von einem Spiegelteich umgeben. Die Zimmer sind riesig, mit wunderschönen Möbeln, Kronleuchtern, Kleiderschränken, Bücherregalen, Büchern, Gemälden. Es ist sogar schwer vorstellbar, wie eine Person hier leben und einen solchen Reichtum besitzen kann.
Von nun an gehört es jedoch ganz uns, ganz Sowjet, und es ist so freudig, heute die Größe unseres Sieges zu spüren.

Unerträgliches Glück

24.05.1945. In diesen Tagen, in denen ich nicht schrieb, ereigneten sich wichtige und interessante Ereignisse in meinem Leben. Sie brachten mir viele Freuden, Enttäuschungen, Misserfolge und Sorgen.
Das erste und unerträglichste Glück ist, dass der Krieg vorbei ist und ich das angezogen habe, was ich in die Schlacht gekommen bin (ohne Auszeichnungen, - Anm. d. Red.), obwohl viele hintere Soldaten oder feige Schurken eine volle Brust mit Befehlen haben. Auszeichnungen werden für Speichelleckerei, Unterwürfigkeit und Heuchelei vergeben. Ein ehrlicher Mann wird es nur bekommen können, wenn alle ihn im Kampf sehen und sofort anfangen zu reden, wenn er in den Ohren der Mehrheit donnert.
Aber genug davon. Natürlich ist der Tag des Sieges etwas bitter für mich.

Über die Japaner und Marschall Schukow

06.08.1945. Rüdersdorf bei Berlin. Heute ist ein Tag großer, herausragender Ereignisse. Die bedeutendste ist die Ankündigung eines neuen Krieges mit Japan. Sowohl glücklich als auch ängstlich. Der Krieg wird nicht mehr lange dauern – das ist jetzt klarer denn je. Japan ist schwächer als Deutschland, und die Verbündeten sind jetzt viel mächtiger als zuvor. Sie machten Annahmen über die Dauer des Krieges - drei Monate.
Jetzt zeigen wir die Japaner. Ich hatte keine Angst, obwohl ich mich entschieden habe, kein Narr mehr zu sein und nicht selbst die Front zu fordern, und wenn doch, dann als politischer Arbeiter, um nicht nur für meine Mitstreiter nützlich und sichtbar zu sein, sondern auch an die Behörden, die mich bewerten. Jetzt ist es an der Zeit, Belohnungen zu erhalten.
Das zweite Ereignis ist ein neuer Befehl von Marschall Schukow. Einige Teile davon gefallen mir nicht.
Es war uns verboten, mit den Deutschen zu sprechen, bei ihnen zu übernachten, einzukaufen. Jetzt ist uns das Letzte verboten - in einer deutschen Stadt aufzutreten, durch ihre Straßen zu gehen, ihre Ruinen zu betrachten. Nicht nur Soldaten - Offiziere. Aber es ist unmöglich! Wir sind Menschen, wir können nicht hinter Gittern sitzen.
Was will ich? - Freiheit! Freiheit zu leben, zu denken, zu arbeiten, Freiheit das Leben zu genießen. Jetzt bin ich von allem befreit. Die Zufahrt nach Berlin ist gesperrt. Ein willkürliches Verlassen des Unternehmens ist nicht möglich. Wieder Unterricht, wieder Prüfungen. Immer wieder, wie im Krieg.

Berliner Einsätze

204.08.1945. Ich habe dem Kompaniechef ausgeplaudert, dass ich nach Berlin gehe. Und vorgestern habe ich beschlossen, die Stadt zum zweiten Mal zu besuchen, über die ich auf der Spitze des Reichstags geschrieben habe:
"Auf dem Balkon eines Berliner Gebäudes
Ich stehe mit meinen Freunden-Kämpfern,
Und ich schaue und spucke auf Deutschland,
Ich spucke auf Berlin besiegt!"
Sicher zurückgekehrt. Ich holte Stiefel hervor, kaufte mir eine Uhr im Tausch gegen Produkte aus dem Lebensmittelladen, die ich teuer, aber billiger als auf dem Berliner Markt bekomme.

Umarmungen und Küsse

26.10.1945. Hennigsdorf. Zu spät aufgestanden. Ich wollte die Liebkosungen der hübschen Margot in vollen Zügen genießen – Küsse und Umarmungen allein reichten nicht aus. Hatte mehr erwartet, wagte aber nicht darauf zu bestehen. Die Mutter des Mädchens war mit mir zufrieden. Würde trotzdem! Auf dem Gunstaltar meiner Verwandten brachte ich Essen, Süßigkeiten und Butter, Wurst, teure deutsche Zigaretten ...
Und in Kremmen wartet eine hübsche, aber ausschweifende Nina auf mich, die 4 Jahre älter ist als die Deutsche und nicht so frisch und unschuldig wie sie ist. Schwören, heute ein Liebhaber, morgen ein anderer. Er schont mein Geld nicht und versucht sogar, mich dazu zu bringen, mehr Geld auszulegen.
Sie wurde vom Leiter der AHO verlassen und ist jetzt von niemandem besetzt - ein sehr seltener Zustand unter russischen Mädchen.

Die heimtückische Nina

31. Oktober 1945. Kremmen. Abends wollte ich Nina sehen, sie zu einem Konzert ins Stadttheater einladen, mich an sie schmiegen, aufsaugen.
Er ging leise in den dritten Stock hinauf, ergriff die Türklinke, um sie zu öffnen, als er plötzlich eine sanfte männliche Stimme und ein sanftes Flüstern mit einer weiblichen hörte. Er schaute durch den Spalt und schreckte zurück: Meine Nina saß auf dem Schoß eines Mannes, schaute ihm fasziniert in die Augen und war glücklich.
Ich kenne sie nicht mehr.

Gute Onkel

06.11.1945. Heilikensee. Um 7 Uhr Abfahrt nach Potsdam. Alles in vorbeifahrenden Autos. Auf der Straße reihten sich rote Busse in einer langen Reihe, überfüllt mit Kindern. Ich habe fünfzig Autos gezählt.
Es war interessant zu wissen, wohin und warum die Kinder in englischen Autos fahren. Als es an der Brücke einen Stau gab, kam er näher und fragte. Es stellt sich heraus, dass die guten britischen Gentlemen-Onkel begannen, Resorts und Kliniken für arme, unschuldige Deutsche zu errichten. Insgesamt wurden mehr als 50.000 Kinder zur Genesung geschickt, und mehr als eine Lieferung steht noch aus.

Wladimir Gelfand in den frühen 1970er Jahren