An anderer Stelle ist er erschüttert
über das Verhalten manch seiner Kameraden. Vergewaltigungen
prägen bis heute die Erinnerung an die Eroberer:
„Natürlich hatte ich
Angst. Da denk ich an den Erlkönig: „Und bist Du
nicht willig, so brauch` ich Gewalt.“ Und die Gewalt fand in
Form eines Revolvers statt, der auf mich gehalten wurde. Ich konnte
nichts machen. Ich habe aber auch Feldküchen auf der
Straße gesehen, wo die Russen Kinder versorgten. Das war die
andere Seite.“ (Annegret Schneider/
Zeitzeugin)
Die Tagebücher belegen diese Erfahrung. Gelfand befürchtet:
„dass
man uns für gutherzige und zugleich grobe und wilde Menschen
hält“.
Als Anfang August 1945 persönliche
Kontakte zu Deutschen verboten werden, fährt er mit seinem
Fahrrad weiterhin seine Bekanntschaften besuchen. Das Fahrrad ist
gekauft, nicht geklaut, darauf legt er Wert. Dem gut aussehenden, etwas
selbstverliebten jungen Leutnant ist die Aufmerksamkeit vieler
deutscher Frauen sicher. Wie selbstverständlich
Liebesbeziehungen zwischen Siegern und Besiegten auch im Osten sein
konnten, spricht aus Gelfands
Tagebüchern und den Briefen an ihn.
„Er hat nach dem Krieg einmal
geschrieben, seine größte Liebe, und auch sie hat
ihn geliebt, war die zu einer Deutschen. Margot hieß sie. Und
er war verzweifelt darüber, warum er nicht den Mut hatte, mit
ihr in Verbindung zu bleiben.“
(Vitali Gelfand/ Sohn)
Gelfands Aufzeichnungen zeigen einen an Deutschland
interessierten und sehr unternehmungsfreudigen Besatzer. Der adrette
Leutnant liebt Friseurbesuche. Dabei macht er so seine Beobachtungen:
„Die
Deutschen sind geizig. Niemals schenken sie etwas, ohne einen doppelten
Nutzen für sich“, schreibt
er. Einmal wird er gefragt, ob Deutschland wieder groß und
stark werde. Der Leutnant ist überrascht, ob des zynischen
Gedankens.
Im September 1946 kehrt Gelfand
schließlich nach Russland zurück.
Gelfands „Deutschland –
Tagebuch“ zeigt das Jahr 1945 ohne heroisierende
Kriegserinnerungen. Was es interessant macht, ist der authentische
Blick von der anderen Seite der Front. Eine ungewohnte Perspektive.
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